Nachgefragt – bei Franziska Tanneberger


In der Reihe „Nachgefragt“ stellen wir die Menschen hinter den Exponaten der Ausstellung "Bioökonomie" vor.

In unserem sechsten Interview haben wir Dr. Franziska Tanneberger vom Greifswald Moor Centrum interviewt. Sie stellt uns das Exponat "Moor muss nass!" vor.


13_19_Moormussnass_FranziskaTanneberger.jpgFällt das Wort Bioökonomie, blickt man noch oft in fragende Gesichter: Wie würden Sie den Begriff mit einfachen Worten erklären? 

Vielleicht so: Bioökonomie ist, wenn der Mensch auf einer verträglichen Grundlage für den Planeten wirtschaftet. Das klingt immer noch ziemlich abstrakt, bedeutet aber zum Beispiel, dass Produkte aus umweltverträglichen Stoffen hergestellt werden, die Produktion keine Schäden an Natur und Mensch anrichtet und andere Aspekte berücksichtigt werden als ein großer Profit, etwa Ökosystemleistungen für den Klimaschutz.  

Woran forschen Sie?

Meine Kolleg*innen und ich forschen zu allem, was Moore betrifft, denn Moore sind nicht unheimlich, sondern unheimlich wichtig. In Mooren lagert zweimal so viel Kohlenstoff wie in der Biomasse aller Wälder der Erde. So lange sie nass, also nicht entwässert sind, binden sie weiteren Kohlenstoff in ihrem Torf. Sie sind deshalb echte Klimaschützer! Sie sind Lebensräume seltener Arten, filtern unser Wasser, sind Archive der Erdentwicklung und bieten dem Menschen Rohstoffe und Erholung. Die meisten Moore in Deutschland sind jedoch trockengelegt und zerstört. Wir forschen daran, wie man die entwässerten Moore wiedervernässen kann, wie diese „neuen Ökosysteme“ funktionieren und wie sie produktiv in der Bioökonomie genutzt werden können. 

Haben Sie eine Idee / einen Wunsch, wohin die Ergebnisse Ihrer Forschung mal führen könnten?

Ja, natürlich. Um die Erwärmung des weltweiten Klimas möglichst unter 1,5 Celsius zu halten, wie auf der Weltklimakonferenz in Paris 2015 beschlossen, müssen die Moore der Welt nass bleiben oder wieder werden. Dazu soll unsere Forschung beitragen. 

Unabhängig von Ihrer eigenen Forschung: Welche bioökonomische Errungenschaft wünschen Sie sich im Jahr 2035 erfolgreich im Alltag angekommen?

Aus dem Moor kann ich mir eine ganze Menge bioökonomischer Errungenschaften vorstellen: Menschen leben in Häusern, deren Wände mit Platten aus Schilf und Dämmung aus Rohrkolben gebaut sind. (Mein eigenes Dach ist schon aus Schilf, aber als Dämmstoff stand uns beim Bau nichts aus Rohrkolben zur Verfügung.) Die Wärme für diese Häuser liefert ein Heizwerk, das nachwachsende Energiepflanzen von Mooren nutzt. Die Bewohner*innen dieser Häuser essen Gemüse, das nicht auf Torf, sondern auf Torfersatz aus nachwachsenden Torfmoosen gezüchtet wird. Es gibt Verpackungen aus Biomasse von Moorpflanzen. In all diesen Bereichen haben Menschen vor Ort neue Arbeitsmöglichkeiten und können Produkte möglichst für den regionalen Markt herstellen. Und wir haben wieder akzeptiert, dass auch nasse Moore wertvoll für uns sind.

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Mit welchem Thema beschäftigt sich Ihr Exponat?

Unser Exponat ist ein kleiner animierter Film, der den Zusammenhang von Mooren, Klimaschutz und nachhaltiger Nutzung nasser Moore, die auch Paludikultur genannt wird, in drei Minuten für alle verständlich erklärt.

Worauf können sich die Besucherinnen und Besucher an Ihrem Exponat freuen?

Auf ein neues Thema! Es ist für viele Menschen neu, von der Bedeutung der Moore für den Klimaschutz und einer Form von „nasser“ Landwirtschaft zu hören. Und auf eine schöne Animation!

Was finden Sie spannend daran, sich an einer Ausstellung wie der auf der MS Wissenschaft zu beteiligen?

Wir finden es spannend, den Bezug zu Mooren und Bioökonomie neben vielen anderen wissenschaftlichen Themen in einem so ungewöhnlichen Rahmen – einem Ausstellungsschiff – Menschen an verschiedenen Orten nahebringen zu können. Das ist eine tolle Gelegenheit für uns! Und die meisten Flüsse verbinden Moorlandschaften, sind also eigentlich ganz nah am Thema.


Mehr spannende Informationen zum Thema Moor finden Sie auf moorwissen.de, z. B. in der Infothek.


Bild rechts: Arbeiter bei der Schilfernte (Foto: Philipp Schroeder)