Nachgefragt – bei Imke Schmitt


In der Reihe „Nachgefragt“ stellen wir die Menschen hinter den Exponaten der Ausstellung "Bioökonomie" vor.

Unser zehntes Interview führen wir mit Prof. Dr. Imke Schmitt vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und dem LOEWE-Zentrum für TranslationaleBiodiversitätsgenomik (TBG). Warum wir überall plötzlich Flechten entdecken werden, erfahrt ihr in diesem Interview und in der Ausstellung am Exponat "Vom Nutzen der biologischen Vielfalt".

14_biologischeVielfalt_TBG_Portraitfoto Imke Schmitt_privat.jpgWie würden Sie den Begriff Bioökonomie mit einfachen Worten erklären? 

In der Bioökonomie sollen biologische Ressourcen und biologisches Wissen für eine nachhaltige Wirtschaft genutzt werden.

Woran forschen Sie?

Ich forsche an der Vielfalt und Funktion von Naturstoffen in der Flechtensymbiose. Wir möchten verstehen, warum Flechten so viele verschiedene Substanzen produzieren, wie genau sie das machen und wie man diese Stoffe für den Menschen nutzbar machen könnte. Dazu untersuchen wir die zugrundeliegenden genetischen Mechanismen.

14_4_biologischeVielfalt_TBG_Flechten_IMG_8823_Foto Imke Schmitt.jpgHaben Sie eine Idee / einen Wunsch, wohin die Ergebnisse Ihrer Forschung mal führen könnten?

Die langsam wachsende Flechte muss sich ständig gegenüber anderen Organismen behaupten, die sie sonst überwuchern oder zerstören würden. Dazu produziert sie Abwehrstoffe, die vielleicht auch für den Menschen nützlich sein könnten, zum Beispiel als Antibiotika. Einige der von uns entdeckten Gene im Erbgut der Flechten können irgendwann solchen bioaktiven Naturstoffen zugeordnet werden. Aus diesen Stoffen könnten Medikamente entwickelt werden. Andere Naturstoffe in Flechten sind möglicherweise an der Trockenheitsresistenz der Flechtenalgen beteiligt. Das Verständnis der dahinterliegenden genetischen Mechanismen könnte bei der Auswahl oder Züchtung zukünftiger Kulturpflanzen helfen, die unter Klimawandelbedingungen mit höherer Trockenheit zurechtkommen müssen.

Unabhängig von Ihrer eigenen Forschung: Welche bioökonomische Errungenschaft wünschen Sie sich im Jahr 2035 erfolgreich im Alltag angekommen?

Ich wünsche mir, dass Plastik in Verpackungen und Kleidung zu 100 Prozent durch bio-basierte und biologisch abbaubare Stoffe ersetzt wird.

Mit welchem Thema beschäftigt sich Ihr Exponat?

Wir zeigen mit einem unterhaltsamen Comic, was Flechten sind, welche nützlichen Eigenschaften Naturstoffe aus Flechten haben können, und wie wir dies erforschen.

Worauf können sich die Besucherinnen und Besucher an Ihrem Exponat freuen?

Nach dem Besuch des Exponats können sich die Besucher*innen darauf freuen, plötzlich überall Flechten zu entdecken: auf dem Gehsteig, an Mauern, auf Baumrinden, im Garten, im Gebirge. Organismen, die sie möglicherweise noch nie bewusst gesehen haben, die aber überall sind!

Was finden Sie spannend daran, sich an einer Ausstellung wie der auf der MS Wissenschaft zu beteiligen?

Ich freue mich darüber, wie begeistert viele Menschen sind, wenn sie die Vielfalt der Natur entdecken und deren Schönheit und Wert erkennen. Daher bin ich gespannt darauf, welche Ansätze zur Bioökonomie die anderen Exponate zeigen, und wie gemeinsam clevere Ideen für die Zukunft entwickelt werden können.

Gab es etwas, was Sie bei der Konzeption Ihres Exponats zum Verzweifeln / zum Nachdenken / zum Lachen gebracht hat? Wenn ja, was?

Die Forschung im Labor, besonders die genomische Analyse von Organismen, ist technisch sehr anspruchsvoll. Trotzdem möchten wir natürlich gut erklären können, wie wir arbeiten und was genau wir erforschen. Der Junge in unserem Comic hat viel Freude daran, die Welt der Flechten und ihrer nützlichen Naturstoffe zu entdecken – dies wünschen wir auch den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung auf der MS Wissenschaft!